Allergologische Diagnostik
Allergologische Diagnostik bei Kindern: Grundlagen, Verfahren und Bedeutung
Allergien zählen zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter. Die frühzeitige und präzise Diagnostik ist entscheidend, um geeignete Therapieansätze zu entwickeln und die Lebensqualität der betroffenen Kinder zu verbessern. Die allergologische Diagnostik bei Kindern erfordert spezielle Kenntnisse und Methoden, die auf die Besonderheiten des kindlichen Immunsystems abgestimmt sind.
Häufige allergische Erkrankungen im Kindesalter
Zu den häufigsten allergischen Erkrankungen bei Kindern gehören:
• Atopische Dermatitis (Neurodermitis): Chronisch-entzündliche Hauterkrankung mit starkem Juckreiz.
• Allergische Rhinitis (Heuschnupfen): Entzündung der Nasenschleimhaut durch Pollen, Hausstaubmilben oder Tierhaare.
• Nahrungsmittelallergien: Reaktionen auf bestimmte Lebensmittel, häufig bei Säuglingen und Kleinkindern.
• Asthma bronchiale: Chronische Entzündung der Atemwege, oft allergisch bedingt.
• Insektengiftallergien: Allergische Reaktionen auf Stiche von Bienen oder Wespen.
Anamnese und klinische Untersuchung
Die Basis jeder allergologischen Diagnostik ist eine ausführliche Anamnese:
• Symptome: Art, Dauer, Häufigkeit und Auslöser der Beschwerden.
• Familienanamnese: Vorkommen von Allergien oder atopischen Erkrankungen in der Familie.
• Umweltfaktoren: Wohnverhältnisse, Haustiere, Ernährung, Rauchexposition.
Die körperliche Untersuchung konzentriert sich auf Haut, Atemwege und andere betroffene Organsysteme.
Diagnostische Verfahren
Hauttestungen
Hauttests sind zentrale Instrumente zur Identifikation von Sensibilisierungen:
• Pricktest: Standardmethode zur Diagnose von Soforttyp-Allergien (Typ I). Dabei werden Allergenextrakte auf die Haut aufgetragen und die Haut leicht angeritzt. Nach 15–20 Minuten wird die Reaktion abgelesen.
• Prick-to-Prick-Test: Besonders bei Nahrungsmittelallergien. Hierbei wird mit einer Lanzette zuerst in das frische Lebensmittel und dann in die Haut gestochen.
• Epikutantest: Zur Diagnose von Spättyp-Allergien (Typ IV), z. B. Kontaktallergien. Allergene werden auf Pflaster aufgebracht und auf den Rücken geklebt. Die Reaktion wird nach 48 und 72 Stunden beurteilt.
Hauttestungen sollten nur von erfahrenen Fachärzt:innen durchgeführt werden, um Fehlinterpretationen und Risiken zu vermeiden.
In-vitro-Diagnostik (Blutuntersuchungen)
Bluttests ergänzen die Hauttestungen und sind besonders bei Kindern mit Hauterkrankungen oder bei Einnahme von Antihistaminika sinnvoll:
• Gesamt-IgE: Gibt Hinweise auf eine allgemeine Atopie, ist jedoch unspezifisch.
• Spezifisches IgE (sIgE): Nachweis von Antikörpern gegen spezifische Allergene.
• Komponentendiagnostik: Unterscheidung zwischen echten Sensibilisierungen und Kreuzreaktionen durch Analyse einzelner Allergenkomponenten.
Die Interpretation der Ergebnisse muss stets im klinischen Kontext erfolgen, da Sensibilisierung nicht gleichbedeutend mit einer klinisch relevanten Allergie ist.
Provokationstests
Provokationstests gelten als Goldstandard zur Bestätigung einer Allergie, insbesondere bei unklaren Befunden:
• Orale Provokation: Verabreichung des verdächtigen Nahrungsmittels unter kontrollierten Bedingungen.
• Inhalative Provokation: Einatmen von Allergenextrakten, z. B. bei Verdacht auf allergisches Asthma.
• Nasale Provokation: Applikation von Allergenen in die Nase, z. B. bei allergischer Rhinitis.
Aufgrund des Risikos schwerer Reaktionen sollten Provokationstests nur in spezialisierten Einrichtungen durchgeführt werden.
Bedeutung der frühzeitigen Diagnostik
Eine frühzeitige allergologische Diagnostik ermöglicht:
• Vermeidung von Allergenexposition: Identifikation und Meidung relevanter Allergene.
• Einleitung spezifischer Therapien: z. B. Allergen-Immuntherapie (Hyposensibilisierung).
• Verhinderung von Folgeerkrankungen: z. B. Entwicklung von Asthma bei unbehandelter allergischer Rhinitis.
• Beratung der Familie: Umgang mit Allergien im Alltag, Ernährung, Schulalltag.
Besonders bei Kindern mit familiärer Atopie-Belastung ist eine frühzeitige Diagnostik und ggf. Prävention wichtig.
Rolle der Fachgesellschaften und Leitlinien
Die Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA) und die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) entwickeln Leitlinien und Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie allergischer Erkrankungen bei Kindern. Diese Leitlinien bieten Ärzt:innen evidenzbasierte Handlungsempfehlungen und tragen zur Standardisierung der Versorgung bei.
Fazit
Die allergologische Diagnostik bei Kindern ist ein komplexer Prozess, der eine sorgfältige Anamnese, klinische Untersuchung und gezielte Testverfahren erfordert. Durch die frühzeitige Identifikation von Allergien können geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die Lebensqualität der betroffenen Kinder zu verbessern und Folgeerkrankungen zu verhindern. Die Zusammenarbeit mit spezialisierten Fachärzt:innen und die Orientierung an aktuellen Leitlinien sind dabei essenziell.